In jedem Menschen ist eine tiefe Sehnsucht nach einem wahren Leben aber oft fühlen wir uns wie ausgebrannt, leer, langweilig, ohne Kraft die uns in Bewegung bringt. Diese Erfahrung zeigt, wie wichtig es ist eine Lebensquelle zu finden, eine Kraft die nicht nachläßt.
In dieser Perspektive ahnen wir daß es so etwas wie der Heilige Geist geben müsste, einen Geist, der von Gott kommt und doch in uns ist, der teilhat an der Fülle des Lebens und uns davon mitteilt. Dieser Geist schenkt neues Leben und ändert unsere Herzen, die sich von Gott leiten lassen. Pfingsten war damals Aufbruch für die Apostel, weil sie den Mut, aus sich herauszukommen, bekamen. Von nun an geht es darum, auf die Menschen zuzugehen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen in einer verständlichen Sprache. Sie bekamen ein Sendungsbewusstsein, das auch heute dringend notwendig wäre. Nietzsche behauptet: „Höher als die Liebe zum Nächsten ist die Liebe zum Fernsten und Künftigen“, und zum Teil stimmt das. Der Geist will uns Mut machen, aus uns herauszugehen, aufeinander zuzugehen und eine Sprache finden, die uns miteinander verbindet. Der Zeitgeist geht leider in eine entgegengesetzte Richtung, man denkt nicht verbindlich, sondern ausscheidend. Der Geist Gottes bewegt uns dazu, dass wir uns mit den anderen verbinden lassen und uns auf den Weg der Versöhnung begehen. Der Geist macht es möglich, dass wir „grenzüberschreitend“ handeln und denken, während manche eher Bür armieren und Mauern bevorzugen und eine Menge Geld dafür ausgeben wollen. Paul Tillich hat gezeigt, dass die Grenze eine positive Funktion hat: in jedem Gebiet ist man stets „an der Grenze“, das Leben ist begrenzt, aber die Möglichkeit oder die Herausforderung sich zu öffnen sind immer wieder notwendig.
Auszug aus Babel
Im Sinne von Pfingsten sollen wir uns durchwehen lassen, mit anderen in Beziehung zu kommen. Wir denken hier, zum Beispiel, an den Titel eines Buches über Gemeindeentwicklung: Auszug aus dem Schneckenhaus. Diese Formulierung ist sehr treffend für die eben beschriebene Wirklichkeit. Pfingsten ist ein Prozess der Überwindung und der Versöhnung. Wir sind nicht mehr in der Situation der Verwirrung nach dem gescheiterten Versuch, in den göttlichen Bereich einzudringen (Genesis 11), mit dem Erbau des babylonischen Turmes. Gott hat dieser Hybris nicht geduldet. Es wäre auch heute noch vieles über den dauernden Sinn dieses Mythos zu entwickeln, weil das gegenseitige Verständnis mit unzählbaren Vorurteilen gelähmt wird. Wir erleben täglich, wie Sprache und Gewalt noch schlimmere Folgen haben als die Sprachverwirrung. Auch im persönlichen und gesellschaftlichen Bereich wird viel unternommen, um immer mehr eine bestimmte Vollkommenheit zu erreichen (die unzähligen Fortschritte in vielen Bereichen seien hier nur am Rande zu erwähnen). Dennoch sind wir auch in einer Welt, wo Krisen und Leiden das Leben vieler Zeitgenossen un-menschlich machen. Im Zeitalter der Reformation benutzte Martin Luther die Metapher der babylonischen Gefangenschaft der Kirche … (1520), damit die Kirche eine innere Erneuerung bestrebt, indem sie sich ausschließlich nach der Heiligen Schrift richtet. Reformation war für ihn der einzige Weg, die Freiheit wiederzuerlangen.
Die Gabe der Hoffnung
Wäre es nicht im Sinne der notwendigen Wiederentdeckung der Pneumatologie, auch den Elan der Reformation besser zu erleben? (Ecclesia semper reformanda). Oft hat man eher das Gefühl, dass sich nichts bewegt, dass es keinen Raum gibt für Erneuerung oder Kreativität. Viel Zeit und Energie werden einfach verschwendet, um die Dinge wie früher zu erhalten. Natürlich müsste man an dieser Stelle nuancieren, denn es gibt auch Ausnahmen da, wo neue Wege gewagt werden … Diese Ausnahmen sind zu erfahren, da, wo Menschen die Nähe Gottes spüren und wieder Vertrauen für das Gute in der Welt finden. In vielen Situationen, die wir heute kennen, brauchen wir auch den Mut, damit wir unseren Glauben und unsere Zweifel offen bezeugen … Viele Gaben sind mit der Ausgießung des Heiligen Geistes verbunden und wir haben so viele Aufgaben, die wir in unserer Umgebung oder in der Ferne anpacken dürfen. Dafür brauchen wir Kraft aus einer unerschöpflichen Quelle, die aus Gott kommt. Der Heilige Geist ist das, was die ganze Heilige Schrift durchfließt und uns die Augen für eine frohe Botschaft öffnet: das Evangelium Jesu Christi. Ganz persönlich ist für mich das Prinzip der Hoffnung eine wichtige Gabe des Geistes Gottes und ich denke auch für andere … vielleicht auch sie? Dazu eine Anekdote: Am Abend seines Todes telefonierten Edouard Thurneysen und Karl Barth und sprachen über die Weltlage. Der Basler Theologe meinte: „Ja, die Welt ist dunkel. Aber dann fügte er hinzu: Nur ja die Ohren nicht hängen lassen! Nie! Denn es wird regiert, nicht nur in Moskau oder in Washington oder in Peking, sondern es wird regiert, und zwar hier auf Erden, aber ganz von oben, vom Himmel her! Gott sitzt im Regimente! Darum fürchte ich mich nicht. Bleiben wir doch zuversichtlich auch in den dunkelsten Augenblicken! Lassen wir die Hoffnung nicht sinken, die Hoffnung für alle Menschen, für die ganze Völkerwelt! Gott läßt uns nicht fallen, keinen einzigen von uns und uns alle miteindander nicht. Veni Creator Spiritus.“
René Gerber,
pasteur à Cleebourg et dans le Vignoble
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