Prima le parole, poi la musica…(erst das Wort, dann die Musik...) meinte Monteverdi, der seine Texte so sorgfältig vertonen wusste. In gleicher Weise trägt bei Bach die gesamte Architektur eines Stückes dazu bei, einen Text in Bezug auf die Heilsgeschichte musikalisch zu deuten. Die sehr ausgefeilte musikalische Rhetorik bildet eine reiche Klangrede. Dabei befolgte er einfach Luthers Grundsätze: Musik ist „Gabe Gottes“ und auch „Dienerin der Theologie“. Calvin hingegen forderte, dass der Psalm so schlicht wie möglich gesungen werden sollte, um den Fokus auf dem Text zu halten. Prima le parole, also.21_partition.jpg

Allgemeiner ausgedrückt: Warum sollten wir die Sprache, die eine klare Bedeutung vermitteln soll, mit der Musik in Verbindung bringen wollen? Die Musik ordnet nämlich Klänge und Rhythmen, hat aber keine eigene Bedeutung. Folgen Sprache und Musik nicht unterschiedlichen Gesetzen, wobei die Sprache auf semantische Präzision und die Musik auf ästhetische Schönheit abzielt? Eigentlich sind aber Sprache und Musik eng miteinander verbunden.

Sagen und Singen war einst dasselbe

Auf dem Gebiet der Anthropologie sind einige Forscher, darunter auch Darwin, der Meinung, dass die Musik in der Evolution des Homo sapiens der Sprache vorausging. JJ. Rousseau hatte es schön zusammengefasst: „Sagen und Singen war einst dasselbe[1]“. Auf jeden Fall scheinen die Geburt der Musik und die Geburt der Sprache miteinander verwoben zu sein: Sprache kann in der Tat musikalisch sein, insofern sie durch Intonationen, Silbenrhythmen... Auf der kanarischen Insel La Gomera zum Beispiel, wird noch heute Silbo praktiziert, eine gepfiffene Sprache, die die Kommunikation von einer Seite eines Tals zur anderen ermöglicht.

Archäologische Funde, insbesondere Knochenflöten, die 43.000 Jahre alt sind, scheinen diese Hypothese zu bestätigen. Die Bedeutung von Musik, Gesang und Tanz in Urkulturen ist vielfach dokumentiert, insbesondere in Ritualen.

Unsere modernen Rituale in einer so genannten entsakralisierten Gesellschaft sind ein entferntes Spiegelbild davon: Nationalhymnen beim Sport, Fernsehvorspänne und sonstige Jingles... jedes Mal Situationen, in denen Musik den Rahmen bestimmt, in dem eine Botschaft vermittelt wird. Es gibt unzählige Filme, die sich der Musik widmen: Der Pianist (2002), Les Choristes (2004), La La Land (2016) und Bohemian Rhapsody (2018) teilen eine Eigenschaft, nämlich eine Erzählung, in der Musik eine treibende Rolle spielt.

Musik transzendiert die Sprache

In den letzten Jahrzehnten hat die Neurowissenschaft einige interessante Entdeckungen gemacht, darunter die der Spiegelneuronen, die es einer Person ermöglichen, die Handlungen einer anderen zu imitieren und erst recht, Empathie zu empfinden. Diese Neuronen spielen eine wichtige Rolle in der Sprache, da sie dem Zuhörer helfen, sich in die Geschichte, die er hört, hineinzuversetzen und sie sogar vorwegzunehmen. Beim Anhören eines Musikstücks navigiert der Hörer zwischen der Entdeckung neuer Klänge und bereits gehörter Passagen und freut sich, wenn er dank der Spiegelneuronen die Wiederkehr eines Themas oder eines Teils erkennen kann.

Außerdem zeigen Experimente, dass das Üben von Singen und Rhythmus für den Spracherwerb bei Kleinkindern förderlich ist: viele neuronale Verbindungen werden dabei hergestellt.

Auch ältere Alzheimer-Patienten, die teilweise aphasisch sind, erlangen durch das Singen von früher gelernten Liedern vorübergehend den Sprachgebrauch zurück. Die Praxis des Singens festigt und belebt das Gedächtnis und hilft, die Sprechfähigkeit zu erhalten.

Musik als universelle Sprache

Hinzu kommt, dass Musik über Sprachgrenzen hinweg jeden ansprechen kann. Eine Beethoven-Symphonie oder ein Debussy-Prélude erfordert nicht die Sprache des Komponisten zu beherrschen, um sie genießen zu können, wie Monique Philonenko hervorhebt:

„Wenn Musik spricht, dann spricht sie die einzige universelle Sprache, die es gibt, die des Gefühls, der Lebenserfahrung, kurz gesagt, der menschlichen Existenz.

Während die Sprache uns zwanghaft in die reale Welt einführt, in der wir leben müssen, öffnet uns die Musik, mehr als jede andere Kunst, die "Elfenbeintüren", die die Tiefe der Dinge offenbaren. Sie sagt nichts, weil sagen zu begrenzt ist; sie begnügt sich damit, zu sein und zu erscheinen und schafft so den Ort einer universellen Begegnung. [2]

So ist die Musik in der Lage, die Sprache zu transzendieren. Musik hat die Eigenschaft, Menschen aus verschiedenen Kulturen zu berühren und eine Form der Gemeinschaft zwischen ihnen zu schaffen: Das Phänomen lässt sich bei vielen Musikstilen nachweisen, vom gregorianischen Gesang bis zum Hardrock!

Deshalb kann Musik zweifellos das spirituelle Leben nähren: wo Worte an ihre Grenzen stoßen, wo Objektivität und Vernunft nicht alles erklären, öffnet Musik einen Raum für Geist, Körper und Seele. Die Musik ermöglicht so eine lebenswichtige Verbindung, einen Zugang zum Göttlichen, wie eine Nabelschnur, wie es der österreichische Dirigent Nikolaus Harnoncourt so treffend formulierte:

Die Kunst ist eben keine hübsche Zuwaage – sie ist die Nabelschnur, die uns mit dem Göttlichen verbindet, sie garantiert unser Mensch-Sein.“[3]

Daniel Leininger

 

[1] Essai sur l’origine des langues

[2] Revue de métaphysique et de morale2007/2 (n° 54), pages 205 à 219

[3] N.Harnoncourt, Musik als Klangrede, 1982

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